Von den antiken Philosophen bis zur Digitalisierung: Wissen treibt die menschliche Entwicklung voran. Doch so grundlegend die Bedeutung dieses Vermögenswerts ist, so schwierig ist es, ihn adäquat zu nutzen. Denn Wissen entsteht nicht von allein, sondern muss erst einmal lesbar gemacht werden. Und Wissen ist auch kein Selbstzweck, sondern untrennbar mit den Zielen und Werten einer Organisation verbunden. Schon deshalb ist ein strategisches Wissensmanagement für Unternehmen heute so wichtig wie nie. Viel bedeutsamer ist jedoch, dass Wissensmanagement im Alltag moderner Unternehmen als ständiger Prozess integriert werden muss, dabei geht es darum Wissen, dass dokumentiert werden kann – zu dokumentieren und damit für neue und bestehende Mitarbeiter abrufbar zu machen. Gleichzeitig gilt es das Wissen zu sichern und stetig weiterzuentwickeln, dass nicht dokumentiert werden kann. Wie kann dies gelingen?
In der digitalen Gesellschaft hat sich das Motto „Wissen ist Macht“ allgegenwärtig verfestigt. Doch nie zuvor – so scheint es – war diese Macht ungleicher verteilt. Auch wenn der Weg durch die Geschichte wie ein kontinuierlicher Wissenszuwachs erscheint, so befinden wir uns spätestens seit der Digitalisierung an einem Scheitelpunkt:
Neue Technologien, die globale Vernetzung und das Zusammenwachsen der Märkte sorgen für einen beständigen Strom an Daten, aus dem jedoch nicht zwingend mehr Wissen generiert wird. Dies beruht einerseits auf der endlichen Aufnahmefähigkeit des Menschen. Andererseits geben wir die Datenverarbeitung an automatisierte Systeme ab und berufen uns darauf, dass diese das nötige Wissen für uns generieren.
Dieser Standpunkt beruht hauptsächlich auf einer Fehlinterpretation des Begriffs Wissen. Häufig wird er mit Daten oder Informationen gleichgesetzt. Doch Wissen entsteht am Ende einer Kette von Sammel- und Interpretationsleistungen – und kann erst dann genutzt werden:
Ordnen, Fragen, Handeln: Auch wenn Wissen wie ein objektiv existentes Gut wirken kann – insbesondere, wenn es in Unterlagen oder Datenbanken zur Verfügung steht – so ist es doch untrennbar mit dem Menschen verbunden. Erst, wenn er aus den Informationen Handlungen ableitet, die auf einer höheren Entwicklungsstufe als die vorherige Handlung stehen, dann kann von Wissen gesprochen werden. Diese aktive Evolution heißt Lernen und verdeutlicht den Prozesscharakter der Leistungskette.
Für Unternehmen wird diese Leistungskette immer wichtiger. Denn nur, wer Wissen systematisch generiert und für sich nutzt, ist auf die besonderen Herausforderungen der aktuellen und zukünftigen Wirtschaftsrealität vorbereitet:
Bei all diesen tiefgreifenden Faktoren ist Wissen der wichtigste Erfolgsfaktor für Unternehmen. Denn Organisationen, die aufgrund Ihres gesammelten Wissens – zukünftige Entwicklungen gut abschätzen können, können frühzeitig entsprechend handeln und sich so einen Vorsprung vor dem Mitbewerb sichern.
Diese Erkenntnis ist indes nicht neu, stellt Unternehmen jedoch angesichts zahlreicher neuer Wissensquellen mit einem immer höheren Datenaufkommen vor die Herausforderung, diese harte Währung für den Unternehmenserfolg zu bearbeiten, zu bewahren und zu erweitern. Gleichzeitig erhöht sich der Druck – schnell zu sein in den letzten Jahren enorm. Geforderte Schnelligkeit geht häufig zu Lasten eines ausgeglichenen Wissensmanagements. Ist es doch einfacher auf den bereits gebildeten Experten immer wieder „schnell“ zurückzugreifen, anstatt neue Kräfte in einem Rotationsprinzip an die Arbeit zu lassen. Dadurch entstehen in vielen Unternehmen sogenannte Wissensinseln.
Durch diese Herausforderungen erhält das betriebliche Wissensmanagement eine neue – digital unterfütterte – Dimension und wird zu einer strategischen Aufgabe, für die es eigentlich keine Alternative geben kann.
Wie bei jeder anderen Managementaufgabe geht es auch im Wissensmanagement darum, unternehmerische Ressourcen strategisch zu planen, zu verteilen, zu nutzen, zu bewerten und zu überwachen. Anders als etwa im Change Management oder Konfliktmanagement arbeitet das Wissensmanagement jedoch nicht auf ein mehr oder minder konkretes Ziel hin.
Vielmehr ist es seine Aufgabe, die Währung Wissen für alle Unternehmensbereiche, den darin arbeitenden Mitarbeitern nutzbar zu machen – und damit im Grunde eine lernende Organisation zu schaffen.
Für diesen allumfassenden Zweck hat das Wissensmanagement zahlreiche Unteraufgaben, die strukturell und personell verankert sein müssen. Dazu gehören beispielsweise:
Wissen als immaterielle Ressource mit einem hohen Grad an personeller Bindung soll durch das Wissensmanagement also von dieser Bindung teilweise gelöst, allgemein zugänglich gemacht, bewahrt und erweitert werden. Damit verwandelt sich das immaterielle Gut Wissen in klar greifbare unternehmerische Vorteile.
Dies ist besonders dort wichtig, wo Wissen als implizites Gut vorhanden ist. Implizites Wissen wird nicht als solches erkannt, sondern hat sich aus Erfahrungen und Handlungsroutinen herausgebildet. Der Mensch denkt über diese Fähigkeiten kaum nach und wendet sie dennoch täglich an. Je größer dieses Wissen ist, desto höher ist die Rolle der Person als Experte – auch wenn sie sich selbst so nicht nennt und von anderen vielleicht nicht als solcher angesehen wird.
Das Wissensmanagement soll nun erreichen, diese impliziten Fähigkeiten für andere Personen und Strukturen nutzbar zu machen. Das ist insofern schwierig, als dass es erst einmal der Erkenntnis bedarf, dass scheinbar alltägliche Handlungen oder bestimmte Arbeitsabläufe einen besonderen Vorteil haben, den andere Mitarbeiter oder Geschäftseinheiten ebenfalls nutzen können sollten.
Dabei geschieht auch oft der Denkfehler, dass Wissen als etwas Großes, Grundsätzliches verstanden wird, das einer zündenden Idee oder einem ausgereiften Produkt nahe kommt. Doch es sind die kleinen Dinge, bestimmte Einstellungen oder Kommunikationsweisen, die in ihrer Summe zu mehr erwachsen und die Idee oder das Produkt liefern.
Sehr wichtige Aspekte sind zum Beispiel selbstentwickelte Handlungsroutinen, die Mitarbeiter nutzen, um sich ihre Aufgabe zu erleichtern. Dabei kann es sich um eine clevere Excel-Formel oder einen Trick an der Fertigungsstraße handeln, der Fehler minimiert. Damit gehen Mitarbeiter selten hausieren, weil sie sich der Tragweite dieses Tricks kaum bewusst sind. Doch würden alle Mitarbeiter davon wissen und ihn anwenden, könnten unter Umständen ganze Prozesse optimiert und enorme Kapazitäten freigesetzt werden, die auf die ganze Organisation wirken – und sich vielleicht sogar als patentiertes Produkt verkaufen lassen.
Schon in dieser Hinsicht gilt Wissensmanagement im Unternehmen als klare Querschnittsaufgabe, an der viele – oder noch besser alle – Strukturen, Entscheidungsträger und Geschäftseinheiten beteiligt sind. Gelingt dies, entsteht eine stets in Evolution begriffene Wissensbasis, von der aus das Unternehmen neue Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse entwickelt.
Je größer eine Unternehmensstruktur und je länger diese gewachsen ist, desto größer ist auch die Anzahl unterschiedlicher Wissensträger und -basen. Diese Quellen haben indes völlig unterschiedliche Ausprägungen, Charakteristika und Wissensformen. Typischerweise besteht der unternehmerische Wissenspool aus folgenden Ausprägungen:
In Organisationen, die über kein aktives Wissensmanagement verfügen, stehen diese Träger in informellen Beziehungen zueinander. Der Wissensaustausch erfolgt nur an einzelnen Stellen. Die Wissensweitergabe und -bewahrung – sowie das ultimative Lernen – sind dann eher Zufall.
Das Problem an solch informellen, unverknüpften Strukturen zeigt sich meist besonders deutlich, wenn ein langgedienter Mitarbeiter in einer Schlüsselposition das Unternehmen verlässt. Dann nimmt er sein Wissen mit sich oder stellt nur unzureichende Informationen für Nachfolger, Kunden und verbliebene Mitarbeiter bereit.
Er konzentriert sich hauptsächlich auf explizite Wissenswerte, ist aber kaum in der Lage, seinen Schatz an implizitem Wissen in der richtigen Form weiterzugeben – schließlich erkennt er die hohe Bedeutung seiner Erfahrungsroutinen nicht. Es ist sehr schwierig, diese Wissenslücke anschließend so zu füllen, dass nicht nur der verlorene Wissensträger mit möglichst gleichem Wissensstand ersetzt, sondern auch der Lernprozess erweitert wird.
Ein aktives, systematisches Wissensmanagement im Unternehmen muss daher so aufgestellt werden, dass alle aktuellen und potenziellen Wissensträger identifiziert, vernetzt und zugänglich gemacht werden.
Es konzentriert sich zudem nicht nur auf die internen Wissensflüsse, -träger und -quellen, sondern nimmt externes Wissen als wertvolle Impulse über alle verfügbaren Schnittstellen auf und verarbeitet es mit der gleichen Sorgfalt. Selbstverständlich kontrolliert und bewertet dieses Wissensmanagement auch, welches interne Wissen nach außen dringt, wie es dort verarbeitet wird und mit neuen Impulsen in das Unternehmen zurückkehrt.
Gelingt dies, entsteht eine lernende Organisation, die sich im Wettbewerb langfristig besser positionieren kann:
Es ist natürlich kein Zufall, dass das moderne Wissensmanagement im hohen Maße mit den technischen Errungenschaften der Digitalisierung verknüpft ist. Wissensplattformen wie Intranets oder CoWorking-Tools haben sich auf breiter Ebene in Unternehmen etabliert und verknüpfen Mitarbeiter und Wissensquellen miteinander, ohne dass eine räumliche Nähe bestehen muss. Damit wird auch deutlich, wie sehr Wissensmanagement und Digitalisierung grundsätzlich zueinander gehören.
Doch faktisch sind solche digitalen Strukturen nichts weiter als ein Mittel zum Zweck, das nicht mit Wissensmanagement gleichgesetzt werden darf. Denn eine systematische Managementaufgabe durchdringt und bearbeitet alle vorhandenen Faktoren. Und sie fängt damit schon viel früher und viel grundsätzlicher an.
Folgende grundlegenden Aspekte stehen beim Aufbau des Wissensmanagements typischerweise zuerst auf der Tagesordnung:
Mit diesem kurzen Überblick wird deutlich, dass Wissensmanagement im Unternehmen eine Vollzeitaufgabe ist. Auch wenn der ungehinderte Wissenszuwachs in der gesamten Organisation zu jeder Zeit und von jedem Punkt passieren soll, braucht es dafür doch eine koordinierende Stelle. Dies ist je nach Unternehmensgröße der Wissensmanager bzw. das Team für Wissensmanagement.
In der Praxis ist diese Unternehmenseinheit häufig eng mit dem Qualitätsmanagement oder dem Innovationsmanagement verknüpft. Das ergibt durchaus Sinn, da sich die Ziele bzw. Methoden der Managementbereiche stark ähneln und einander bedingen. Wo und wie die koordinierende Stelle für Wissensmanagement in unterschiedlichen Unternehmen verortet ist, unterscheidet sich nur in Details. Denn die Grundbedingungen sind immer gleich:
Ganz gleich, wie das Wissensmanagement letztendlich personell aufgestellt ist, sind die Anforderungen an den Wissensmanager ein:
Die Rolle des Wissensmanagers ist per se also genauso weitgefasst und mitunter diffus wie der Gegenstand, den er bearbeiten soll. Das eröffnet aber auch die Chance, Mitarbeiter für diese Stelle zu gewinnen, die sich an anderer Stelle nicht beworben hätten. Insbesondere die immer wichtiger werdende Millenial-Kohorte kristallisiert sich für „traditionelle“ Unternehmen zum Problem heraus.
Als technisch gebildete, onlineaffine und vernetzt denkende Menschen drängen sie in Massen auf den Arbeitsmarkt, finden jedoch immer noch selten Angebote, die zu ihrem veränderten Lebensentwurf und zu ihrem Ruf nach Flexibilität passen.
Eine Position als Wissensmanager kommt diesen Wünschen in mehrfacher Hinsicht entgegen und macht damit ein Unternehmen, das sich in nächster Zeit intensiver mit dem Fachkräftemangel auseinandersetzen müsste, plötzlich zu einem gefragteren Arbeitgeber. Denn mit einem funktionierenden Wissensmanagement werden Unternehmen flexibler, fortschrittlicher und offener. Und genau danach suchen die neuen Professionals.
Jeder Schritt und jede Methode, die der Wissensmanager beim Aufbau und der Bearbeitung des Wissenssystems verwenden kann, läuft stets auf wichtige Kernthemen hinaus:
Genauso grundlegend fängt jede Managementmethode damit an, sich erst einmal einen Überblick über die Wissenssituation im Unternehmen zu verschaffen. Dabei werden alle formellen, informellen, strukturellen und personellen Wissensabläufe dokumentiert und mit den jeweiligen Wissenshorizonten und -basen verknüpft. Typischerweise erfolgt dies über Tools wie:
Sollten entsprechende Systeme bisher nicht vorhanden sein, müssen sie erst einmal eingerichtet und zum Laufen gebracht werden. Denn mit Stift und Zettel, Akten und Flipcharts kann heute kein funktionierendes Wissensmanagement mehr aufgebaut werden.
Anschließend geht es daran, die Mitarbeiter zu motivieren. Hier sind ausgefeilte Techniken der Personalführung gefragt, die insbesondere darauf abzielen, dass jeder Mitarbeiter sein implizites Wissen teilt und nutzbar macht. Das ist umso schwieriger, da solche Erfahrungswerte manchmal als Hoheitswissen gehütet werden, sobald sie als echte Ressource erkannt wurden. Schließlich wurde dieses Wissen durch die eigene Leistung im Unternehmen erworben.
Hier ist es insbesondere wichtig, die Bedeutung des impliziten Wissens klar zu machen und gleichzeitig die Unverzichtbarkeit des jeweiligen Mitarbeiters zu unterstreichen. Wird ein Mitarbeiter als zentraler Wissensträger anerkannt, steigt seine Motivation, andere als aktiver Lehrer teilhaben zu lassen.
Das funktioniert indes nur, wenn er sieht, dass sein individuelles Wissen weiterverwendet und tatsächlich als Lernstufe angesehen wird. Das lässt sich zum Beispiel über Projektdokumentationen realisieren, die als Guidelines für neue Projekte dienen – und zwar mit einer gewissen Verbindlichkeit und hoher Sichtbarkeit. Natürlich sind auch Be- und Entlohnungsmechanismen in diesem Bereich unverzichtbar.
Gerade dann, wenn eine besondere Idee eines Einzelnen für seine Ablaufroutinen den Unternehmensumsatz nach oben schrauben sollte, muss sich dies im Lohnzettel widerspiegeln. Nur dann entsteht zwischen „Einsatz“ und „Gewinn“ ein Gleichgewicht, das zu mehr motiviert.
Sind die Bestände geordnet und die Mitarbeiter an Bord, stellt sich folgerichtig die Herausforderung, wie man das Wissensmanagement als System und Prozess mit dauerhaftem Effekt einbinden kann. Dafür gibt es schon aufgrund der höchst unterschiedlichen Natur von Organisationen kaum ein Patentrezept.
Wohl aber passieren immer wieder die gleichen Fehler, die schon im Vorfeld adressiert werden sollten.
Eine der ersten Stolperfallen bei der Einführung von Wissensmanagement in Unternehmen ist gerade die Person des Wissensmanagers. Um Zeit und Kosten für die Rekrutierung zu sparen, wird die Position häufig intern besetzt und der vorhandene Mitarbeiter dann mit dem Aufbau der lernenden Struktur betraut.
Dahinter steht die Annahme, dass ein Interner die Abläufe, Strukturen und Hindernisse gut genug kennt, um sofort die richtigen Hebel anzusetzen. Diese Betrachtungsweise hat jedoch ihre Tücken.
Ein guter Wissensmanager profitiert zwar durchaus von seiner Erfahrung mit einem bestimmten Unternehmensgegenstand und in einer bestimmten Abteilung. Doch soll er mit diesen Vorkenntnissen eine sinnvolle Wissensstruktur aufbauen, droht die Bias-Falle: Er setzt da an, wo er sich sicher fühlt. Und das ist bei seiner alten Position.
Wissensmanagement als übergeordneter Schirm lebt jedoch gerade davon, dass es dem Wissensgegenstand gegenüber vollkommen neutral ist und Strukturen und Mechanismen rein danach bewertet, ob und wie hier Wissen generiert, kommuniziert und vermehrt wird.
Darum lohnt es sich ungemein, die initiale Einführung des Wissensmanagements mit möglichst externer Hilfe anzustoßen. Berater können die Implementierung mit den entsprechenden Vor-Analysen, Strategiebedarfen und Methodenvorschlägen begleiten und damit den Aufbau der Wissensmanagementposition perfekt vorbereiten. Auch die externe Neubesetzung der Managementposition fördert die Objektivität der Arbeit und die sinnvolle Bewertung der Prozessschritte.
Diese Schritte stellen Organisationen anfänglich ebenfalls vor große Herausforderungen. Häufig wird sich aktionistisch auf einen Teilschritt fokussiert, wie etwa die Einführung eines neuen CoWorking-Tools. Als projektier- und greifbare Maßnahme ist sie wesentlich leichter zu erfassen als der diffuse Managementgegenstand Wissen.
Darum werden bloße Maßnahmen in diesem Managementbereich häufig mit Strategien und noch häufiger mit dem grundsätzlichen Systemaufbau verwechselt. Das zeigt sich bereits an klaren Ziel- und Endpunkten, sehr fokussierten Projektbeschreibungen – und einem festen Budget.
Wissensmanagement ist jedoch weder endlich noch ein reiner Maßnahmenkatalog und schon gar nicht zum Fixpreis zu haben. Trotzdem ist es natürlich notwendig, einen Kick-off-Punkt und eine Ausgangsposition zu finden, die möglichst schnell Erfolge zeigt.
Hier zeigt sich der Schnittpunkt zum Change Management. Die Einführung eines Wissensmanagements geht in den meisten Fällen mit großen Veränderungen einher, bei denen es Widerstände, Hürden, Anschubschwierigkeiten und Hindernisse gibt.
Dies lässt sich nur bearbeiten, wenn die Ist-Analyse der Organisation genauso umfassend, offen und ganzheitlich ist wie die Strategie, die den Weg zum Soll-Zustand ebnet. Doch dieser Soll-Zustand ist eben nicht fix, sondern als „lernende Organisation“ schon begrifflich fließend.
Wird die Einführung des Wissensmanagements von einem (externen) Change Manager koordiniert, verantwortet und begleitet, nimmt dies erheblichen Druck aus dem eigentlichen Kernprozess und steuert ihn wesentlich zielführender.
Genauso besteht die Gefahr, dass die Prozessnatur der Einführung verkannt wird. Viele Unternehmen scheitern beim Aufbau einer wahrhaft lernenden Organisation, weil sie zu viel gleichzeitig anstoßen und dadurch versuchen, in kürzester Zeit zu einer Wissensorganisation zu werden.
Doch genauso, wie Lernen eine organische Entwicklung ist, die von einem Wissensschritt zum nächsten geht, ist auch das Wissensmanagement das Ergebnis von aufeinander folgenden Maßnahmen, die aufeinander aufbauen.
Hier lässt sich gegensteuern, wenn die Einführung vom Kleinen zum Großen umgesetzt, aber vom Großen zum Kleinen gedacht wird. Das ist natürlich Kernbedingung aller sinnvollen Veränderungsprozesse, jedoch beim diffusen Gegenstand Wissen wesentlich schwerer umzusetzen.
Dafür braucht es Planungs- und Kontrollmechanismen, die Fortschritte detailliert festhalten, untersuchen und gegebenenfalls zur Anpassung der Strategie animieren. Insbesondere die strategische Flexibilität nimmt einen hohen Stellenwert ein.
Lernt ein Unternehmen, den Wissenszuwachs flexibel aufzubauen, so kann es sich zukünftig wesentlich einfacher an Wissensträger und -quellen anpassen, die wir heute noch gar nicht antizipieren können. Angesicht des rasanten digitalen Wandels steht das nächste gesellschaftliche und technologische Paradigma schon in den Startlöchern.
Einer der häufigsten Fehler ist jedoch, dass digitale Strukturen per se als Wissensmanagement verstanden werden. Tools und Netzwerke, Archive und Datenbanken werden sorgfältig ausgewählt, die Mitarbeiter werden darin geschult, alle haben etwas gelernt … zurück an die Arbeit.
Diese falsche Perspektive wiegt das Unternehmen meist lange in Sicherheit. Werden Tools gut angenommen und rege verwendet, wirkt es so, als sei der Wissensprozess in vollem Gange. Doch das digitale Werkzeug arbeitet eben nicht auf ein bestimmtes Ziel hin, sondern stellt eine gegenwärtige Arbeitserleichterung dar, die informell genutzt wird.
Im Grunde ist eine solche digitale Struktur nichts weiter als eine teure Hülle, die im Nichts existiert. Das zeigt sich besonders dann, wenn man auf die Modelle und Theorien zum Wissensmanagement blickt, in denen das Digitale praktisch keine Rolle spielt.
Während der moderne Begriff Wissensmanagement in den 1990er Jahren geprägt wurde, ist das Konzept des Lernens als Grundlage für den Unternehmenserfolg natürlich genauso alt wie die Industrialisierung. Nur wer lernte, konnte bessere und schnellere Produkte als die Konkurrenz auf den Markt bringen.
Doch genauso, wie sich die Halbwertszeit der Produktlebenszyklen verkürzte, wandelte sich auch die Perspektive auf den eigentlichen Wertschöpfungsprozess, der von einem reinen Wissenszuwachs gekennzeichnet ist.
Allerdings fehlte es bis zur Entwicklung des Konzepts der Lernenden Organisation an einer systematischen Betrachtungsweise der notwendigen Managementaufgaben. Zudem entstand erst mit der Einführung der Digitalisierung auf breiter Fläche ein unabdingbarer Zwang, Wissen angesichts der neuen Herausforderungen strukturiert zu bearbeiten. Und auch der Kern des Konzepts – Lernen als Bereitschaft zum beständigen Wandel – wurde erst wirklich akut, als sich die Auswirkungen des Digitalen abzuzeichnen begannen.
Dass dieser Imperativ für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens kaum unterschätzt werden kann, zeigt sich schon an den zahlreichen Herangehensweisen und Systematiken zur lernenden Organisation. Hier sind u.a. folgende Theorien zu nennen:
Senges fünf Disziplinen für das organisationale Lernen sind:
Für das praktische Wissensmanagement ist die Publikation „Wissen managen – Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource nutzen“ (Probst, Raub, Romhardt) eine Standardveröffentlichung. Wie Senge gilt auch Gilbert Probst als einer der „Paten“ des Wissensmanagements.
Die Autoren haben acht Bausteine des Wissensmanagements identifiziert, die in ihrer Klarheit und der Verbindung untereinander deutlich machen, auf welche Weise der Aufbau der Managementstrukturen erfolgen sollte:
Einen noch deutlicheren Fokus auf den Geschäftswert des Wissensmanagements legt Helmut Willke in seinem Standardwerk „Einführung in das systemische Wissensmanagement“. Für ihn steht der Geschäftsprozess als solcher im Mittelpunkt. Hinweise zur Optimierung und Systematisierung machen Willkes Ausführungen zu einem Grundlagen-Werkzeugkasten für Wissensmanager im aktuellen Unternehmenskontext.
Synonym dafür ist seine Metapher von der „doppelten Wissensbuchführung“, die sich nicht umsonst an einen Grundsatz der Betriebswirtschaft anlehnt. Demnach müssen zwei Kernfragen beständig überprüft und bewertet werden:
Die Wissensgenerierung nach Willke verläuft in zwei Kreisläufen. Im inneren Kreis (den Geschäftsprozessen) wird das Wissen urbar gemacht, bewertet und für die Verteilung vorbereitet. Dieses generalisierte Wissen kann dann in den zweiten, äußeren Kreislauf übergehen, der die Gesamtheit der Organisation darstellt und wesentlich von den Strategien und der Vision bestimmt wird.
Wirkten vorherige Konzepte noch relativ generell und am Lernen selbst als wichtigsten Faktor ausgerichtet, so macht Willke sehr klar, dass es beim Wissensmanagement darum geht, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens gegenüber dem Kunden zu erhöhen. Der scheinbare Selbstzweck weicht also dem klaren Geschäftszweck. Damit wird natürlich auch eine höhere Dringlichkeit für Unternehmen hervorgerufen – und genau dies will Willke erreichen.
Die Dringlichkeit für die gesamte Unternehmenswelt und der Geschäftscharakter manifestieren sich auch im Fraunhofer Competence Center Wissensmanagement in Berlin. Das Center unterstützt seit 1997 Unternehmen bei der Einführung von Wissensmanagement und ist darüber hinaus auch eine der zentralen Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet im europäischen Raum.
Dass es zu einem scheinbar so selbstverständlichen Gebiet wie dem Wissenszuwachs eine eigene Einrichtung gibt, unterstreicht sehr deutlich, wie viel Nachholbedarf und wieviel Wandel in diesem Bereich besteht.
Indes bilden diese Modelle und Initiativen nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus einem breiten Feld, das von zahlreichen Mitstreitern begründet und beständig erweitert wurde. Schlaglichtartig wären hier auch Nonaka und Takeuchi mit dem SECI-Modell zu nennen, das den Kreislauf zwischen implizitem und explizitem Wissen verdeutlicht. Zudem sei auf Konzepte wie die Organisationsintelligenz oder das Knowledge Engineering hingewiesen.
Wer Wissensmanagement lernen will – ob als Individuum oder Organisation – will nichts anderes als das Lernen lernen. Und Einrichtungen wie das Fraunhofer Competence Center beweisen auch, dass diese scheinbare Tautologie gar keine ist.
Zudem muss deutlich gesagt werden, dass alle Organisationen, die ein Wissensmanagement einführen wollen, ihre grundsätzliche Lernfähigkeit bereits unter Beweis stellen – sonst kämen sie gar nicht zu diesem Schluss bzw. würden gar nicht mehr existieren.
Die Schwierigkeit ist unterdessen, Wissensmanagement als Lernaufgabe nicht nur in seiner Gesamtheit zu betrachten, sondern in notwendige Teildisziplinen zu unterteilen. Hier sind – wie in vielen anderen Bereichen – zuallererst Führungskräfte mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Weiterbildungen gefordert. Aspekte wie Führen in der digitalen Welt oder Führen in Veränderungsprozessen nehmen einen hohen Stellenwert ein.
Daneben ist es selbstverständlich unabdingbar, praktisch umsetzbare Tools und Methoden zu implementieren, die das Lernen langfristig vorantreiben und so die Zukunft gestalten. Ifsm begleitet Unternehmen bei der Einführung eines umfangreichen Wissensmanagement und hat hierzu neben dem Konzept auch Bausteine, die ein ständiges Lernen im Rahmen einer Blended Learning Strategie unterstützen.
Dabei werden Lernprozesse mehrdimensional und nach den Anforderungen bestimmter Individuen gestaltet. So entsteht eine Entwicklungsarchitektur, in der Lernen nicht nur Spaß macht, sondern jeder Mitarbeiter seinen individuellen Lernprozess durchlaufen kann. Typische Tools sind dabei:
Blended Learning kann dabei als Anschub, Einführung, Projekt und Grundsatzmethode verstanden werden. Einmal durchlaufene Lernsituationen zu einem bestimmten Wissensziel können formalisiert und implementiert auch andere Wissensziele begleiten.
Wie schon mehrfach anklang, ist die Verbindung von Wissens-, Qualitäts- und Change Management so eng, dass sich hier auch Überschneidungen bei der Einführung ergeben. Genauso wurde deutlich, dass es für die Einführung immer erst einmal eines neutralen Blickes und eines objektiven Dritten bedarf.
Externe Berater haben den nötigen Abstand zu den Abläufen im Unternehmen und sind insbesondere bei der Identifikation von Wissensbeständen und Wissenslücken eine große Hilfe. Denn hier herrscht zwangsläufig eine nachhaltige Betriebsblindheit.
Tatsache ist aber auch, dass der externe Berater, hier noch mehr als anderswo, nur Starthilfe leisten kann. Ist sein Auftrag abgeschlossen, muss das Wissenssystem von allein laufen bzw. so aufgestellt werden, dass Anfangsschwierigkeiten sofort adressiert und bearbeitet werden können.
Der Lernerfolg zeigt sich meist dann, wenn das Unternehmen mit einer bestimmten Idee oder Innovation der Konkurrenz voraus sein kann. Der Misserfolg wird deutlich, wenn ein Projekt scheitert oder bestimmte Trends und Veränderungen nicht erkannt werden. Doch selbst dann gibt es noch eine Chance. Denn Wissensmanagement funktioniert eben auch andersherum und macht deutlich, was ein Unternehmen nicht weiß und wie es aus dem Mangel lernen kann.
Wenn wir Sie zu unserem Angebot zum organisationalen Lernen und den unterschiedlichen Aspekten des Wissensmanagements beraten dürfen, sprechen Sie uns gerne an.